Projektbeschreibung
Abteikirche St. Stephanus
und Vitus Corvey
Mit dem Bau der Klosterkirche wurde
um 830 begonnen; die Weihe fand im Jahre 844 statt.
Hinter dieser Fassade verbirgt sich
der kubische Baukörper aus dem 9. Jahrhundert. Er teilt sich in einen massiven
Mittelturm und zwei schlanke Seitentürme; dem Mittelturm ist ein risalitartiger
Vorbau vorgelagert, der sogenannte Königserker; die Seiten- oder Treppentürme
weisen schiesschartenähnliche Fenster auf. Der massive, im Grundriss
quadratische Mittelturm hat ursprünglich die Seitentürme weit überragt - man
sprach von den "tre turri" von Corvey. Er beherbergt die sogenannte
Kaiserkirche, jenen Raum, in dem sich der Kaiser bei Hoftagen mit seinem Gefolge
aufhielt. Bis 1145 sind 20 Hoftage römisch-deutscher Kaiser in Corvey
nachgewiesen; allein Heinrich II. hielt sich siebenmal in Corvey auf. Der
Mittelturm wurde 1185 wegen Baufälligkeit abgetragen und das Westwerk zu einer
Zweiturm-Fassade umgebaut.
Beim Betreten des Westwerks aus dem
9. Jahrhundert wird man von einer Säulenhalle beachtlichen Ausmasses empfangen.
Wir haben es hier mit drei baulich ineinandergeschachtelten Quadraten zu tun.
Das erste ist der Grundriss des Westwerkes; es folgt der Mittelturm, getragen
von vier mächtigen Pfeilern, in der Mitte befindet sich dann das durch vier
Säulen gebildete "Quadrum". Typisch für diese vier Säulen sind die
akanthisierenden Kapitelle mit hohen Kämpfern; sie deuten auf die byzantinische
Herkunft der Baumeister hin. Das Quadrum symbolisiert einen Baldachin, und hier
wird das "Programm" der baulichen Gestaltung des Westwerks wiederum sichtbar.
Der Kaiser wurde unter diesem steinernen Baldachin vom Abt empfangen und in die
Kaiserkirche geleitet. Die nur noch in Rudimenten erhaltene Farbfassung des
gesamten Baus ist in ihrer Symbolhaftigkeit noch erkennbar. Das Erdgeschoss muss
man sich leuchtend rot vorstellen; diese Farbe symbolisiert das Feuer der
Vorhölle, das Fegefeuer, das der Kaiser mit seinem Hofstaat als "Raum der
Läuterung" durchschreiten musste, um im Obergeschoss an Gottesdiensten und
Hoftagen teilnehmen zu können.
Im Obergeschoss angelangt, eröffnet
sich die ganze Erhabenheit der Kaiserkirche mit ihren arkadenumgrenzten zwei
Geschossen. Hier ist der Baukubus des Turmes noch deutlich zu erkennen.
Zentraler Blickfang ist im Westen die Kaiserloge, wo sich die Thronanlage
befunden hat. Die Decken des Turms und der Seitenschiffe stammen aus der
Umbauphase des Westwerks nach dem Dreissigjährigen Krieg und sind typisch für
den "gehobenen Hausbau" im westfälischen Barock. Die freiliegenden Balken sind
verputzt und kunstvoll verziert. Der Raum wirkt heute durch die Rückfront der
barocken Orgel von 1681 in sich geschlossen. Ursprünglich hatten der Kaiser und
sein Hofstaat von der Empore aus einen freien Blick in das langgestreckte
Kirchenschiff und zu den vier Altären. Es war also eine klassische
Doppelchörigkeit mit der geistlichen Macht im Osten und der weltlichen im
Westen, vergleichbar mit den grossen deutschen Kaiserkirchen wie Bamberg, Speyer
oder Worms. Das Corveyer Westwerk ist in seiner Funktion durchaus mit der
Pfalzkapelle Karls des Grossen in Aachen zu vergleichen. Erst vor wenigen Jahren
wurden über den sechs Pfeilern auf dem rohen Mauerwerk mit roter Kreide
gezeichnete Entwurfsskizzen zu lebensgrossen Figuren entdeckt. Es handelt sich
dabei um Vorzeichnungen für Halbrelieffiguren aus Stuck. Diese Figuren müssen
sich bei der Weihe des Westwerkes im Jahre 875 an den Wänden befunden haben.
Im Jahre 1665 wurde die im
Dreissigjährigen Krieg weitgehend zerstörte Klosterkirche abgerissen. Christoph
Bernhard von Galen legte 1667 den Grundstein für den barocken Neubau. Die Form
des Grundrisses, der Fenster und des Gewölbes steht ganz im Zeichen der Gotik,
die Raumausstattung in den Corveyer Farben rot und gold hingegen ist barocker
Prägung. Der Neubau wurde im Jahre 1671 vollendet und erhielt bis 1674 seine
prachtvolle Innenausstattung. Von herausragender künstlerischer Qualität sind
die vier Alabasterepitaphe im Chorraum und der in blau gefasste Reliquienschrein
des hl. Stephanus im Kirchenschiff. Für den Hauptaltar existieren zu den
Hochfesten der katholischen Kirche heute noch fünf austauschbare Bilder: die
Geburt Christi, die Kreuzigung, zwei Pfingstwunder und die Himmelfahrt Mariens.
Den Altar schmücken weiter
Skulpturen der Stifter Karl und Ludwig sowie der Patrone Stephanus und Vitus.
Von besonderer Eleganz ist das Chorgestühl mit seinen drehbaren Notenpulten; an
den Rückwänden befinden sich Statuetten von Personen, die mit der Geschichte
Corveys verbunden sind. Der mächtigen Kanzel an der Südwand des Kirchenschiffs
ist das ebenso imposante Weihemal des hl. Vitus an der Nordwand
gegenübergestellt. Die 1681 eingebaute Orgel des in Höxter ansässigen
Orgelbaumeisters Andreas Schneider trennt das Obergeschoss der Kaiserkirche vom
Kirchenschiff. Bei der Hauptorgel handelt es sich um eine der wenigen erhaltenen
Springladenorgeln mit originalem Tonumfang. Mächtige Engelsgestalten tragen die
vergleichsweise zierliche Orgelbühne.
In insgesamt 13 Bauabschnitten wurde die gesamte Kirche einschl. der umfangreichen barocken Ausstattung restauriert.
Im Rahmen der Außensanierung erfolgte der Neuverputz des Kirchenschiffes, die Verfugung des Sandsteinmauerwerkes des Westwerkes, Neueindeckung der beiden Türme mit Holzschindeln, Sanierung des Sollingsandsteindaches und konstruktive Sanierung der Holzdachkonstruktion.
Die Innenrenovierung umfasste die Erneuerung der Kirchenheizung als Fußbodenheizung, Wärmedämmung der Deckengewölbe, Überarbeitung der Fassung des Innenraumes in Kalktechnik, Neuverlegung der bruchrauhen Sollingsandsteinfußbodenplatten.
Es wurde die Restaurierung der gesamten barocken Ausstattung vom Hochaltar, über die Seitenaltäre und Chorgestühl bis zum Orgelgehäuse durchgeführt.
Alle Arbeiten wurden in enger Zusammenarbeit mit allen beteiligten Abteilungen des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege in Münster durchgeführt.
Das Kloster Corvey ist als Weltkulturerbe der UNESCO nominiert.